Zum Inhalt springen

Profil

Was bedeutet mir guter Wein?

Vor einigen Jahren schenkte mir meine Großmutter einen schweren Band über Apfelsorten. Zwischen Buchdeckel und der ersten Seite lag ein vergilbtes Blatt mit Bleistiftzeilen in der Sütterlinschrift meines Urgroßvaters. Er hatte eine Tabelle aufgestellt mit den Apfelsorten des Gartens, mit den Zeiten ihrer Pflück- und Genußreife. Ich las: Lord Grosvenor, Apfel aus Croncels, Cox Orange, Baumanns Renette, Geheimrat Oldenburg, James Grieve, Alantapfel, Goldparmäne, Schöner von Boscoop, Geflammter Cardinal, Gelber Edelapfel. Die ersten im August zu pflücken, die letzten Ende Oktober, sie reiften dann auf Holzstiegen im Kellergewölbe und waren von Dezember bis in den Mai hinein genußreif. In meiner Erinnerung tauchten die winzigen, aber großartig schmeckenden Cox Orange auf und ich verglich sie in Gedanken mit den dreimal so großen, aber nichtssagend süßen Äpfeln desselben Namens, die man heute auf dem Markt kaufen kann. Daneben Elstar, Jonagold und Golden Delicious – ein Trauerspiel im Verhältnis zu der Vielfalt und Fülle, die noch im Garten meiner Kindheit existierte.

Und hier ist für mich die Verbindung zum Wein: Ich fände es wirklich bedauerlich, wenn auch im Weinbau die Fülle, die regionalen Unterschiede, die Feinheiten des Geschmackes verschwänden. Denn genau dahin geht der Markt: die Weine werden mit technologischem Fortschritt uniformer,  werden in Massen produziert und im Keller zurechtgehübscht in eine Richtung, von der Marketingexperten meinen, sie dem Publikum zumuten zu können. Brombeer, Cassis, Vanille, Kokos – viel Süße (auch wenn trocken draufsteht), kaum noch Gerbstoffe, keine Kanten, nichts, was irgendwie bemerkenswert wäre…

Was hat das noch mit der Kulturtechnik Weinbau zu tun? Wo sind die regionalen oder rebsortentypischen Unterschiede? Wo ist die Handschrift des Winzers?  Ich stelle mir eine Reihe von Rieslingen vor, alle an der Mosel gewachsen, alle in kleinen Mengen den steilen steinigen Hängen abgetrotzt. Derselbe Jahrgang, derselbe Winzer, die Lagen nur wenig voneinander entfernt. Und doch hat jeder von ihnen seinen ganz charakteristischen Geschmack – je nachdem, auf welchem Schiefer er gewachsen ist. Roter Schiefer mit Eisenoxiden, blauer Schiefer mit hohem Tonanteil, Schiefer mit Quarziten oder solcher mit fossilen (Kalk-) Einlagerungen – jeder von ihnen hat ein ganz eigenes Profil. Das ist für mich ein Wunder, von dem ich weiß, daß es im Weinberg hart erarbeitet und nicht mit Kellertechnik gezaubert worden und für € 1,29 nicht zu haben ist. Und es ist Wissen, das unbedingt erhaltenswert ist.

In meinen Weinproben erkläre ich, warum ein Wein so schmeckt und ein anderer anders, was das typische ist, was vom Jahrgang bedingt, was die Eigenheit des Winzers sind etc.
Und da mir Äpfel aus dem eignen Garten lieber sind als solche aus Chile, bilden auch im Weinsortiment die Weine aus Deutschland den Schwerpunkt – schon vor der Haustür gibt es vieles zu entdecken. Doch auch in Italien, Frankreich und Portugal wachsen Weine, die ich nicht missen und meinen Kunden nicht vorenthalten möchte.

Die dürren Fakten:

Geboren 1967 in Dresden / Berufsausbildung zur Winzerin begonnen 1983 bei Schloß Wackerbarth in Radebeul, fortgesetzt und abgeschlossen im Rheingau bei den Schlössern Vollrads und Johannisberg, Fachabitur Weinbau und Agrarwirtschaft in Geisenheim
viele Jahre branchenfremde Arbeit, Anfang 1991 Rückkehr nach Dresden, arbeiten, Studium (Abschluß 1998 als Dipl. Ing. Agrarwirtschaft FH), dann „Rückkehr zu den Wurzeln“: zunächst als Angestellte im Weinhandel, seit 2001 als selbständige Weinhändlerin